Wochenzeitung, 24. März 2012

„Formal ordnungsgemäßes Verfahren“. Vortrag in der Feuerbachakademie widmete sich dem Fluchtversuch des Kronprinzen Friedrich 1730 und seinen Folgen

Anlässlich des feierlichen Jubiläums „300 Jahre Friedrich der Große“ widmete die Feuerbachakademie in Ansbach dem wohl dramatischsten und prominentesten Ereignis seiner Kronprinzenjahre einen Themenabend. Rechtsanwalt Bolko-Lewin von Katte aus Düsseldorf gab eine „persönliche und juristische Einordnung“ zum Fluchtversuch des Kronprinzen 1730 und seinen Folgen.

1730: Das Verhältnis zwischen Friedrich und seinem Vater, den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm l., ist zerrüttet. Seit Monaten schmiedet Friedrich gemeinsam mit seinem Freund Hans Hermann von Katte Fluchtpläne. Auf einer Reise durch Süddeutschland, die Friedrich u.a. durch Ansbach führt, soll der Plan umgesetzt werden. Die Flucht scheitert, bevor sie begonnen hat.

 

Friedrich und sein Unterstützer von Katte werden interniert-mit tödlichem Ausgang für Katte-auf persönliches Geheiß des Königs. „Ein formal richtiges und ordnungsgemäßes Verfahren“, resümierte Bolko-Lewin von Katte, der sich seit der Jugend mit seinem Vorverfahren Hans Hermann von Katte und dessen Freundschaft zu Kronprinz Friedrich beschäftigt. Beide seien im Übrigen keine Jugendfreunde gewesen, auch ein homosexuelles Verhältnis könne nahezu ausgeschlossen werden.

Für die WZ vor Ort war: Fabian Reisch




 


Fränkische Landeszeitung, 19. März 2012

„Beßer, daß er stürbe". Feuerbachakademie Ansbach: Fluchtversuch von Kronprinz Friedrich. „Mittäter" Hans Hermann von Katte wurde 1730 zum Tode verurteilt

Ansbach (cc) – ritter Hans Hermann von Katte wurde am 6. November 1730 auf Geheiß des Königs enthauptet. Er musste sterben, weil er Kronprinz Friedrich dabei geholfen haben soll, vor seinem strengen Vater, König Friedrich Wilhelm I., zu fliehen. der fehlgeschlagene Fluchtversuch bietet Stoff für vielerlei Heldengeschichten. Bolko-Lewin von Katte ist der Meinung, dass davon einiges korrigiert werden muss. Der Rechtsanwalt aus Düsseldorf beschäftigt sich seit seiner Jugend mit seinem berühmten vorfahren. Auf Einladung der Feuerbachakademie Ansbach gab er eine persönliche und juristische Einordnung".

„Gute Talente zu Pferde, seine Gedankenlosigkeit könnte gezähmt werden, aber seine visionäre Neigung scheint unheilbar zu sein": So wird Hans Hermann von Katte von seinem Vater beschrieben. Damit, schildert der Referent, ähnelt sein Charakter dem des Kronprinzen. der soll ein charmanter Kerl gewesen sein, mit Hang zum Leichten und Schönen, durchaus gewinnend, aber eben auch leichtsinnig und berechnend. Mit seinem Vater, dem König, der Preußen mit harter Hand auf Sparkurs trimmte und reformierte, hat er wenig gemein.

Bolko-Lewin von Katte stellt die Beschreibungen der Charaktere an den Beginn seines Vortrages – es hilft, um einiges besser zu verstehen. König und Kronprinz geraten mit Worten und Taten häufig aneinander – etwa Mitte 1730 bei einem Lustlager in Sachsen, an dem auch Hans Hermann von Katte als Begleiter teilnimmt. Bolko-Lewin von Katte erwähnt hier einen ersten Fluchtversuch Friedrichs, für den sich sein vorfahre Hans Hermann von Katte auf einem Zettel die Poststationen zwischen Leipzig und Frankfurt am Main notiert. doch das Bestreben Friedrichs, Reißaus zu nehmen, schlägt fehl – zunächst ohne großes Aufheben.

Der Kronprinz gibt nicht auf. Der zweite Fluchtversuch scheitert nach Darstellung von Bolko-Lewin von Katte ausgerechnet in Ansbach. König und Gefolge befinden sich mittlerweile auf einer Reise durch Deutschland. In Ansbach erreicht den Kronprinzen die Nachricht von Hans Hermann von Katte, dass er den erbetenen Urlaub nicht gewährt bekomme und nicht zu ihm stoßen könne. Friedrich aber versucht weiterhin, Unterstützer für seine Flucht zu finden. Er wird unvorsichtig. Schließlich erhalten königstreue Männer – darunter Hans Hermanns Vater und ein weiterer von Katte – Kenntnis von seiner Absicht.

 

Vereitelt wird die Flucht schließlich im Baden-Württembergischen. Der Kronprinz hat von einem Pagen die Pferde holen lassen und sich in einen roten Mantel gehüllt. Die Männer des Königs halten den fluchtbereiten Kronprinzen auf. Endgültig fliegt das Komplott auf, als ein Leutnant aus dem engsten Vertrauenskreis des Kronprinzen desertiert, der genauestens über die Fluchtpläne informiert war.

„Ein formal richtiges und ordnungsgemäßes Verfahren"

Der König lässt den Kronprinzen und Hans Hermann von Katte verhaften. Das angerufene Gericht erklärt sich im Fall des Kronprinzen nicht zuständig, verurteilt von Katte jedoch zu lebenslanger Kerkerhaft. Dem König reicht das nicht. Nachdem seine Aufforderung, das Urteil zu verschärfen, wirkungslos verpufft, verfügt er selbst: Hans Hermann von Katte soll hingerichtet werden. „Ein formal richtiges und ordnungsgemäßes Verfahren", merkt Rechtsanwlt Bolko-Lewin von Katte an. Dann zitiert er einen Satz des Königs: Dem Verurteilten solle ausgerichtet werden, „daß Seiner Königlichen Majestät es leydt thätte, es wäre aber beßer, dass er stürbe, als daß die Justiz aus der Welt käme". Der König, mutmaßt der Referent, wollte es sich nicht mit der gesamten Familie von Katte verscherzen. Es waren angesehene Leute. Dennoch sollte „klare Kante" gezeigt werden; schließlich sei es um eine Verabredung zur Fahnenflucht und Majestätsbeleidigung gegangen.

Bolko-Lewin von Katte stellt klar, dass Friedrich und Hans Hermann „keine Jugendfreunde" waren. Sie hatten sich vermutlich erst 1730 kennengelernt: „Zwei Springinsfelde, die dachten, das ist doch mal lustig." Auch ein den beiden oft nachgesagtes „homoerotisches Verhältnis" sei unwahrscheinlich. Die Faktenlage lasse eher vermuten, dass sie dem weiblichen Geschlecht durchaus zugeneigt waren.

Am Ende des Vortrags sind einige Falten der Geschichte geglättet, ein interessanter juristischer Fall ist geklärt, und ein weiser Satz gesprochen. „Wer sich seiner Vorfahren rühmt", schließt Boko-Lewin von Katte: „ist wie eine Kartoffel: Sein bester Teil liegt unter der Erde."

Kronprinz Friedrich wurde nach dem Fluchtversuch von seinem Vater noch mehr an die Kandare genommen: Sein Tagesablauf wurde ihm bis auf die Minute genau vorgeschrieben – und am Sonntag musste er viermal in die Kirche.