Wochenzeitung, 19. Oktober 2013
Unschuldig in Guantánamo. Dr. Alfred Meyerhuber lud früheren Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz nach Ansbach
Ansbach (jb). Auf Einladung des Rechtsanwaltes Dr. Alfred Meyerhuber berichtete der frühere Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz gemeinsam mit seinem Anwalt Bernhard Docke von der Folter und der Demütigung, die er über 1.700 Tage lang im US-Gefangenenlager über sich ergehen lassen musste.
Kurnaz, der Sohn türkischer Einwanderer, war 2001 auf einer Pilgerreise in Pakistan ohne jede Rechtsgrundlage von amerikanischen Soldaten festgenommen und in die „Folterhölle“ Guantánamo gebracht worden, berichtete Docke. In diesem rechtsfreien Raum, den Ex-Präsident Georg. W. Bush nach den Anschlägen des 11. Septembers auf kubanischem Boden geschaffen hätte, um Gefangene uneingeschränkt vernehmen zu können, sei Kurnaz knapp fünf Jahre lang Tag für Tag physisch und psychisch gefoltert worden, obwohl die Regierung seine Unschuld bereits 2002 für erwiesen angesehen habe. Auch die Rolle der damals rot-grünen Bundesregierung sei beschämend, da sie Kurnaz trotz eines Angebots der Amerikaner, den grundlos Inhaftierten wieder in sein Geburtsland zu entlassen, zurückgewiesen habe. Erst die neue Bundeskanzlerin Angela Merkel habe geholfen an der Freilassung des Häftlings im Jahr 2006 mitgewirkt.
Kurnaz, der betonte, froh zu sein, die Zeit in Guantánamo psychisch relativ gut überlebt zu haben, erzählte, er habe erst bei seiner Ankunft in Deutschland gewusst, dass er wieder frei sei. Mit der Verheißung auf Freilassung seien die Gefangenen manchmal einfach eine Runde über das US- Lager geflogen worden, um ihren Willen zu brechen, während Kurnaz bis zum letzten Tag seiner Haft gefoltert worden sei. So habe er in fast fünf Jahren lediglich zwei Nächte auf einer Matratze schlafen dürfen und seine Mitgefangenen, von denen der jüngste neun Jahre alt gewesen sei, hätten die Wärter beispielsweise Halluzinationen auslösendes Malariamittel gegeben, um sie redseliger zu machen. Kurnaz, der nach der Inhaftierung erst wieder lernen musste, ohne Fußfesseln zu laufen, sei unter anderem in Isolationshaft gehalten worden, für die die Wärter etwa die Frischluftzufuhr abgestellt hätten. Eine Entschuldigung oder Entschädigung habe er nie bekommen, weder von amerikanischer noch von der deutschen Seite, während sich auch die Arbeitssuche mit seinem Ruf als Guantánamo-Häftling schwierig gestalte, unterstrich Kurnaz.
Meyerhuber beschrieb die Leidensgeschichte seines Gastes als „bedrückend und beeindruckend.“ Der Namensgeber der Akademie, in der die Veranstaltung stattfand, Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach, habe bereits vor über 200 Jahren im Bayrischen Strafgesetzbuch festgelegt, dass „keine Strafe ohne Gesetz“ sein dürfte, so Hausherr Meyerhuber. Der Schandfleck Guantánamo stelle einen Rückfall zu einer Rechtskultur des Finsteren Mittelalters dar.
Fränkische Landeszeitung, 11. Oktober 2013
Mehr als 1700 Tage mit Demütigung und Verletzungen. Früherer Gunatánamo-Häftling Murat Kurnaz sprach - Dr. Alfred Meyerhuber: Deutsche Politiker setzen Unrecht eigentlich fort
Ansbach (oh) – Die Worte „bedrückend und beeindruckend“ hat Hausherr Dr. Alfred Meyerhuber gewählt. Er kommentierte damit den Bericht des früheren Guantánamo-Häftlings Murat Kurnaz und seines Rechtsanwalts Bernhard Docke in der Feuerbachakademie in Ansbach. Auch jetzt in die Freiheit werde er in der Öffentlichkeit teilweise nicht gerade fair behandelt, bestätigt Kurnaz, „aber ich mache mir keine große Sache daraus“.
Schwierig jedoch, mit seinem Namen eine Arbeit zu finden und sie zu behalten, erklärte, der Sohn des türkischer Einwanderer, den man 2001 in Pakistan festgenommen hatte.
Fachanwalt Meyerhuber fand es unglaublich, was Kurnaz in dem US-Gefangenenlager überstanden habe. Deutsche Politiker indes hätten in diesem unseligen Verfahren“ eigentlich das Unrecht fortgesetzt und zu einem neuen werden lassen.
Das Auswärtige Amt teilte damals mit, dass man für Kurnaz als türkische Staatsangehörigen nichts tun kann, wie Fachanwalt Docke zurückblickte. Die Amerikaner hätten ihrerseits schon im Jahr 2002 angeboten, diesen nach Deutschland zu überstellen, weil sie davon ausgegangen seien, „ er sei unschuldig“.
Aber die Sicherheitsrunde aus den Spitzen der Geheim- und Sicherheitsdienste sowie des Chefs des Kanzleramts damals, Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD), habe des Angebot, ihn „aus Folter und Entrechtung zurückzuholen“ nicht als Chance begriffen. Steinmeier habe später argumentiert, es habe kein Angebot gegeben und Kurnaz „war irgendwie gefährlich“ so Docke.
Beides sei falsch und unaufrichtig. Es sei geradezu beschämend, was mit Kurnaz von Seite der rotgrünen Bundesregierung „veranstaltet worden ist“. Später habe er in einem Brief die neue Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) um Hilfe gebeten, sagte der Jurist. Eine Antwort sei innerhalb von drei Tagen eingegangen.
„Es ist dann auch tatsächlich geholfen worden“. Freigekommen sei Murat Kurnaz im August 2006. Wann und ob dies tatsächlich geschehe , „habe ich ja nicht wirklich gewusst“, berichtete er von den Tagen vorher. Man habe ihm eine Jeans über den Nato-Draht geworfen. Ins Flugzeug sei er mit verbunden Augen, Handschellen und Fußfesseln gekommen. „ Ich wusste jetzt nicht, ob ich wirklich freikomme oder ob die mich verlegen“ – oder ob man nur eine Runde über Guantánamo fliege.
So etwas habe man nämlich getan um die Menschen psychisch zu brechen. Als er nach fünf Jahren seine Familie wiedergesehen habe, sei das ein Moment, „den man nicht mit Worten beschreiben kann“.
Weibliche Gefangene habe es „in Guantánamo selber nicht“ gegeben, antwortete Murat Kurnaz in der Diskussion, aber Kinder seien eingesessen. Der jüngste Bub sei neun Jahre alt gewesen, der zweitjüngste zwölf. Mit Blick auf das Thema Isolationshaft erzählte er von „unterschiedlichen Strafmethoden“. So sei etwa die Belüftung vollkommen abgeschaltet worden, so dass man „keine frische Luft zum Einatmen“.
„Das mit dem Weiterfoltern, das ging“ – obwohl für unschuldig gehalten“ – „eigentlich bis zu meiner Freilassung“. Man habe ihn nicht entschädigt und sich nicht bei ihm entschuldigt, „ weder von den Amerikanern noch von den Deutschen aus“, stellte Murat Kurnaz fest.
Er habe „sehr schnell lernen müssen: Guantánamo war ein künstlich geschaffener reichsfreier Raum“, so Docke. Kurnaz habe hier mehr als 1700 Tage und Nächte unschuldig zugebracht, voll von Demütigung, Beleidigungen und schwersten körperlichen und seelischen Verletzungen, legte Alfred Meyerhuber dar.
Guantánamo besteht noch heute. Bei Gefangenen, die irgendwie verdächtig und gefährlich seien, die man aber nicht anklagen könne, „weil wir keine Beweismittel haben“, nehme sich die Obama-Regierung „bei allen Versprechen, Guantánamo zu schließen“, heraus diese ohne Gerichtsverfahren dauerhaft festzuhalten, berichtete Anwalt Docke. Der Namensregister der Akademie, Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach, habe vor über 200 Jahren in Bayerische Strafgesetzbuch den Satz eingeschrieben, „dass keine Strafe ohne Gesetz sein kann und darf“, stellte Alfred Meyerhuber heraus.