Fränkische Landeszeitung, 4. Juli 2014
Die Folge von „Ich willige ein“. Datenschutz-Präsident in der Feuerbach-Akademie
ANSBACH (sh) – Rauchmelder, Luftbilder, eine besondere Brille, Autos, die alleine fahren können, und der Puls von Joggern: Thomas Kranig, Präsident des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht, zeigte in der Feuerbach-Akademie Ansbach, wie sehr das Sammeln von Daten inzwischen jeden angeht. Eine Frage an die Bürger zog sich wie roter Faden durch den Abend: „Ist das wirklich das, was ich will?“
Ein Beispiel für den Juristen ist das soziale Netzwerk „Facebook“. Wer die Bedingungen dort akzeptiert („Ich willige ein …“), übertrage alle Rechte. „Das kann man natürlich machen“, sagt Kranig, „aber man sollte wissen, was man tut.“ Facebook kann dann beispielsweise mit den Fotos werben. „Doch sind alle Personen auf einem Bild damit auch einverstanden?“
Strenggenommen muss jeder, der Bilder in Internet oder einen Videofilm auf Youtube stellt, die abgebildeten Menschen vorher um Erlaubnis fragen. Denn der Grundsatz für den Datenschutz in Deutschland lautet: „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“. Darunter verstehen die Juristen, dass zunächst jede Weitergabe von personenbezogenen Daten verboten ist. Möglich wird sie nur, wenn der Betroffene einwilligt oder wenn eine entsprechende Rechtsvorschrift existiert, zum Beispiel ein Kaufvertrag, der das Verarbeiten von Daten zu einem bestimmten Zweck erforderlich macht.
Immer mehr Videoüberwachung
Kranig und seine Mannschaft („17 Menschen auf 16 Planstellen“) sind im Ansbacher Schloss untergebracht. Von dort aus sind sie in Bayern für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich zuständig, also beispielsweise für Firmen, Banken und Privatleute, nicht aber für Behörden. Zunehmend beschäftigt sie die Videoüberwachung. Ein Beispiel sind die Dashcams in Autos. Die Aufnahmen sollen bei einem Unfall als Beweismittel herangezogen werden. Am 12. August verhandelt das Verwaltungsgericht Ansbach über das Dashcam-Verbot.
„Warum kauft Google immer neue Firmen?“, machte Kranig auf die Strategie des US-amerikanischen Konzerns aufmerksam. Rauchmelder, aber auch Luftbilder und Gesundheitsdaten von Hobbysportlern lieferten Unmengen an Information. Zusammen mit Suchanfragen, internet-tauglichen TV-Geräten, der Google-Glass, einer speziellen Brille, die unbemerkt Ton- und Filmaufnahmen ermöglicht, dem Betriebssystem „android“, das all das verbinden soll, und in nicht allzu ferner Zukunft mit selbstfahrenden Autos, verfüge Google über eine „exorbitante Marktmacht“.
Vieles davon sei für den Nutzer angenehm, räumte der Präsident des Landesamtes ein. Zumal nicht wenige Dienste auch kostenlos angeboten würden. Allerdings „zahlt jeder mit seinen Daten“.
Das Fazit von Thomas Kranig: „Solche Konzerne wissen über jeden einzelnen von uns ein Vielfaches von dem, was der Staat weiß.“ Bleibe die Frage, für welche Zwecke diese Macht genutzt werde. Auf eines wies der Experte schon einmal hin: Nach US-Recht müssen die Konzerne den Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten auf Wunsch auch Daten aus Europa zur Verfügung stellen.
Datenschützer könnten das von Konzernen organisierte Datensammeln nicht verhindern, meine Kranig in der Diskussion. Möglicherweise könnten aber auch Kartellbehörden helfen, die Macht dieser Großkonzerne einzuschränken. Spannend sei, wie es die EU künftig mit dem Datenschutz halte, erklärte der Präsident des Landesamtes für Datenschutzaufsicht. Derzeit werde über eine neue Verordnung verraten. Wie sie am Ende aussehe, sei völlig offen. Deutschland weise im Moment sicher das höchste Niveau beim Datenschutz auf. In den einzelnen Staaten werde vieles ganz unterschiedlich gesehen. So sei in England die Videoüberwachung kein Thema, Schweden wiederum kenne kein Steuergeheimnis.
Erinnerungen an Dr. Faustus
Dr. Alfred Meyerhuber, Anwalt und einer der Initiatoren der Feuerbach-Akademie, fühlte sich während des Abends an die Faust-Geschichte erinnert. Verkauft Dr. Faustus doch seine Seele an den Teufel, um Wissen und Macht zu erlangen.