Fränkische Landeszeitung, 12. April 2018

Die Japaner auf der Suche nach Rat. Delegation informierte sich über den Umgang der Deutschen mit der US-Armee

Von Clarissa Kleinschrot

Katterbach – Sie waren gekommen, um zu sehen, zu hören und zu erfahren: Anwälte der Japan Federation of Bar Associations (entspricht in etwa der deutschen Bundesrechtsanwaltskammer). Sie reisen durch Europa auf der Suche nach Tipps im Umgang mit der US-Armee. Der Grund: Lärm und Kriminalität der US-Soldaten machen den Japanern zu schaffen.

Die Anwälte wollen Antworten. Sie gehören einem Sonderausschuss an, der das japanisch-US-amerikanische Truppenstatut reformieren will. Sie beklagen diverse Probleme in Japan. So konzentrieren sich in der Präfektur Okinawa – eine Inselgruppe Japans im Ostchinesischen Meer – zahlreiche Militärstützpunkte, zum Beispiel für die Luftwaffe. Obwohl Okinawa nur 0,6 Prozent der Fläche Japans ausmacht, sind dort 70,6 Prozent der Flächen, die von den US-amerikanischen Truppen in Japan beansprucht werden. Laut den Anwälten leiden die Menschen dort „sehr" unter der Situation. Es gebe „erhebliche Schäden": zuerst einmal der Fluglärm, außerdem die Abstürze und Bruchlandungen von US-Militärflugzeugen, Unfälle durch herabfallende Flugzeugteile und vor allem Kriminalität der US-Soldaten und ihrer Angehörigen.

Der Rechtsanwalt Kichiro Takagi spricht gegenüber der FLZ von Vergewaltigungen. In einer Information der Reisegruppe steht, dass im April 2016 ein Angehöriger des US-Militärs „einen Mord mit Vergewaltigungsabsicht" an einer 20 Jahre alten Frau begangen haben soll. Die Leiche habe er im Wald „entsorgt". Takagi zur Situation in Katterbach: „Ihr habt es hier ein bisschen besser, denn es gibt doch einige Beschränkungen." In Japan dagegen könnte das US-amerikanische Militär machen, was es wolle. Was die japanische Delegation konkret aus ihrem Besuch in Katterbach und der Ramstein Air Base – dort war sie tags zuvor – mitnimmt, vermochte der Anwalt noch nicht genau zu sagen. Aber: „Das Wichtigste ist, ihr habt uns Mut gemacht. Mut gemacht, dass es besser werden kann." Übrigens: Als die japanische Delegation sich vor Ort am Flugfeld in Katterbach umsah und auch in der näheren Umgebung unterwegs war, war eines weder zu sehen noch zu hören: das Knattern der US-Helikopter.

Umweltschutz und Zivilklagen. Neue Perspektiven

Ansbach (clk) – Neue Perspektiven, aktiv zu werden gegen den Lärm der US-amerikanischen Hubschrauber, sehen die Ansbacher Stadträte Boris-André Meyer, Hannes Hüttinger und Ott Schaudig. Inspiriert wurden sie auch durch den Vortrag von Professor Dr. Kyrill Schwarz zum NATO-Truppenstatut.
Hannes Hüttinger von der BAP will sich auf den Naturschutz konzentrieren. Denn: Naturschutzverbände haben wohl – anders als eine Kommune – eine Klagebefugnis.

Hüttinger, selbst beim Bund Naturschutz aktiv, hält es deshalb für sinnvoll, dass sich der Landesbund für Vogelschutz und der Bund Naturschutz „ein gutes Gutachten besorgen über den Zustand Flora und Fauna im Bereich der Kaserne und die Stadt sich bereit erklärt, die Verbände zu unterstützen, so dass man an eine Klage denken kann". Boris-André Meyer von der Offenen Linken, Sprecher der Bürgerinitiative „Etz langt's!" , sind einige neue Ideen gekommen. Als besonders erfolgversprechend sieht er mögliche Zivilklagen von Bürgern. Sehr gut findet er dazu den Vorschlag seines Stadtratskollegen Otto Schaudig (CSU), dass die Stadt solidarisch sein solle, also „die Prozesskosten komplett übernehmen".

Die Residenz in unter fünf Minuten
Ansbach (clk) – Die japanische Delegation von Anwälten war natürlich wegen des Umgangs der Stadt mit der US-Armee in Katterbach gekommen – also zum Arbeiten. Doch wenn die Residenz Treffpunkt ist, wird der Anwalt auch mal zum Touristen. Zumindest kurz. So stiegen die Anwälte – trotz Verspätung – erst einmal aus dem Bus aus, bewunderten das Schloss und wollten Fotos machen. Rechtsanwalt und Organisator Dr. Alfred Meyerhuber ließ nicht lange bitten und bewerkstelligte die vielleicht kürzeste Führung durch die Residenz aller Zeiten. Einmal in den Innenhof und zurück, die wichtigsten Zahlen, architektonische Besonderheiten – alles in unter fünf Minuten.

„Die verdammte Pflicht der Stadt". Meyerhuber an Kleinlein
ANSBACH (clk) – „Es ist die verdammte Pflicht der Stadt Ansbach, den Bürgern das Gutachten zur Verfügung zu stellen." Rechtsanwalt Dr. Alfred Meyerhuber richtete klare Worte an den städtischen Rechtsreferenten Udo Kleinlein wegen des Lärmgutachtens, das dieser gerne unter Verschluss halten möchte (die FLZ berichtete).

Als die japanische Delegation sich im Feuerbachhaus Vorträge über „Rechtsfragen des NATO-Truppenstatuts" und erfolgreiche Klagen wegen Tieffluglärms angehört hatte, wurde auch das Lärmgutachten der Stadt Ansbach Thema. Dieses hatte die Stadt im Jahr 2014 in Auftrag gegeben. Die FLZ hatte beim Rechtsreferenten angefragt, es zu bekommen. Die Antwort: Stadträte dürfen das Gutachten einsehen, die Öffentlichkeit aber nicht. „Absolut indiskutabel" für Meyerhuber.
Es sei ein Gutachten, „das wir alle bezahlt haben". Wegen Kleinleins Zitat „Wo anfangen, wo aufhören?" in der FLZ gab er Kleinlein den Tipp, es „einscannen zu lassen und einen Knopf zu drücken. Dann haben es auch andere." Denn, so sagte es Meyerhuber: Er hätte den Japanern das Gutachten gerne zur Verfügung gestellt.

Kleinleins Antwort: „Es liegt mir keine Anfrage von Ihnen, weder mündlich noch schriftlich, vor, dieses Gutachten für diese Veranstaltung zu verwenden." Er haben zwei Anfragen gehabt, eine von einem Stadtratsmitglied. Dieser habe das Gutachten auch eingesehen. Auch die Presse habe angefragt. Dieser Bitte sei er nicht nachgekommen, „einfach weil wir bisher so etwas nicht gemacht haben". Damit, schob er nach, sei gemeint: städtische Unterlagen einzuscannen und per E-Mail zu verschicken.
Als Meyerhuber erneut nachfragte, ob er das Gutachten haben und der Delegation geben könne, meinte Kleinlein: „Ich werde es weitergeben, ich kann das nicht entscheiden."




 


Fränkische Landeszeitung, 4. Mai 2018

Dem Fluglärm ist nur rechtlich beizukommen". Neuer Ansatz: Anerkannte Naturschutzverbände könnten klagebefugt sein – Dr. Meyerhuber: Gerichtsverfahren erzeugen Druck

von Sebastian Haberl

Ansbach- Ist dem Fluglärm, den US- Militärhubschrauber in und um Ansbach verursachen, rechtlich beizukommen? In der Feuerbachakademie lieferte der Würzburger Jura-Professor Dr. Kyrill-Alexander Schwarz dazu jüngst einen neuen Ansatz. Der Experte für öffentliches Recht geht von einem Klagerecht für anerkannte Naturschutzverbände aus. In Ansbach könnten damit wohl der Bund Naturschutz und der Landesbund für Vogelschutz klagen.

Professor Schwarz sprach vor einer hochrangigen Delegation japanischer Anwälte (die FLZ berichtete). Ausgangspunkt war die neuere Rechtsprechung des Bundes-verwaltungsgerichtes in Leipzig. Voraussetzung für eine Klage ist, dass die Militärs in einem anerkannten Naturschutzgebiet fliegen.

Für den Juristen stehen Bundeswehr und alliierte Luftstreitkräfte keineswegs vollständig außerhalb jeder rechtlichen Bindung. „Gerade wie die Streitkräfte bei ihren Entscheidungen auch die öffentliche Sicherheit und Ordnung' zu berücksichtigen haben, müssen sie damit die Gemeinsamkeit der Rechtsvorschriften beachten und dies sind auch naturschutzrechtliche Vorgaben."

Die Folgerung des Rechtsprofessors lautet: „Vor diesem Hintergrund wird man – nach im Einzelfall zu prüfenden Voraussetzungen - auch anerkannten Naturschutzverbänden entsprechende Klagerechte einräumen können"

Der Bund Naturschutz (BN) werde so eine Klage in seiner nächsten Vorstandssitzung nach Pfingsten diskutieren, sagte gestern Hannes Hüttinger, BAP Stadtrat und stellvertretender BN-Kreisvorsitzender. Hüttinger nannte auch gleich zwei Vorausset-zungen: Die Klage muss mit dem Landesverband abgestimmt sein und es muss deutliche – auf Gutachten gestützte. Erfolgsaussichten geben. Natürlich werde man vorher mit dem Landesbund für Vogelschutz sprechen.

 

Geld der Stadt Ansbach würde CSU-Stadtrat Otto Schaudig dafür nicht verwenden. „Nicht für eine Verbandsklage", sagte Schaudig der FLZ. Ganz anders sieht er es für den Verwaltungsjuristen aus, wenn ein Ansbacher Bürger vor Gericht klagt, „der massiv und stark betroffen ist". In einem solchen Fall sollte die Stadt das Prozessrisiko übernehmen. „Das ist nichts Neues der Stadtrat hat das schon besprochen", sagte Schaudig. Der Ansbacher Anwalt Dr. Alfred Meyerhuber hat in den 1980er Jahren Klagen gegen militärischen Tiefflug in der damaligen Area 7 durchgefochten.

Hat im Fall von Ansbach eine Klage - beispielsweise auf Schmerzensgeld – Erfolgs-aussichten? Dr- Meyerhuber spricht von „juristischem Neuland" und „einem schwierigen Gebiet". Dennoch hält er viel von Klagen. Die Erfahrungen mit der Area 7 hätten gezeigt, wie sehr Klagen Druck erzeugen.

Ansatzpunkte sieht Dr. Meyerhuber beim Lärm und beim Feinstaub „Für eine erfolgreiche Schmerzensgeldklage muss eine Körperverletzung gegeben sein. Und sie muss nachgewiesen werden –durch ein ärztliches Attest, durch Symptome und durch Gutachten."

Eine Rolle spielt auch die Rechtswidrigkeit. Hier verweist Dr. Meyerhuber zum einen auf die Verdoppelung der Zahl der US-Militärhubschrauber in Katterbach und Illesheim. Zum anderen seien das die beiden einzigen Hubschrauberstandorte der US-Armee in Europa.

Die Argumentation geht nun –grob vereinfacht- in etwa so: Wenn man die Lärm- und Feinstaubbelastung mindern kann, zum Beispiel durch das Schaffen neuer Übungs-plätze, muss man handeln.

Unterlässt man das, kann dass Nicht-Handeln ein Hinweis auf eine Rechtswidrigkeit sein.

Die Scheu vor Klagen kann Dr. Meyerhuber nicht verstehen. Mit Schaudig ist er sich einig: Dem Fluglärm ist, wenn überhaupt, nur auf dem Rechtswege beizukommen.